Letzte Tage...

Deleo´s letzte Tage waren im Anmarsch. Sie hatte sich einige Wochen nur noch auf ihren Erben konzentriert, somit ein sehr ruhiges Leben gefristet. Hier und da kamen ihr Geschichten zu Ohren, die sich auf hoher See abspielten. Hier und da hätte sie gerne mit gemischt, doch ihre Fähigkeiten hatten stark nach gelassen. Sie sehnte sich nach Ruhe. So verwerflich der Gedanke auch war, sterben zu wollen, ein Wiedersehen mit Alianna in der anderen Welt war erstrebenswert. Schmerzlichst hatte Deleo ihre Freundin vermisst. Stundenlang hatte sie schon auf See gestanden und dem Säuseln des Windes gelauscht, sich über diese Umwege mit Alianna verständigt. Tiefster Hass erfüllte Deleo´s Herz noch immer. Hass gegen eine Person, welche schon nicht mehr war. Seelenwanderung hatte es ermöglicht, das diese Person in einer Tochter weiter lebte. ...Herrin der Schatten... Deleo lachte innerlich, wie armseelig war doch so manches Geschöpf an Tugenden ausgestattet.

Deleo wurde zunehmend schwächer. Es fiel ihr schwerer und schwerer, eine stolze Figur anzugeben, wenn sie vor ihren Männern stand. Einzig und allein ihre Augen sprühten nach wie vor. Immer und immer wieder dachte sie mit Wehmut an den Tag, welcher schon spürbar nach ihr griff, um von dieser Erde zu gehen. Immer und immer wieder sehnte sie sich auch danach, das es nicht mehr allzu lange dauern würde. Sehnsucht nach Alianna zerriss ihr fast die Brust, jetzt, wo es so nahe war, wieder bei ihr zu sein.
"Meine Liebe, ich hoffe, du wartest schon an den Toren, wenn es soweit ist..."

Es war früh am Morgen...Dunst verschleierte die See...Fanya hatte sich bisher eher zurück gehalten. Jetzt stand sie mit ihrer Mutter Deleo an Bord. Weit draußen auf See, hielt sie ihre Hand und ahnte, was kam. Deleo stand mit tränenden Augen an der Reeling. Der Wind peitschte in ihr Gesicht...lang war es her, als sie blutjung in Nephilim ankam. Lang war es her, als sie sämtliche Mächte anflehte, ihren Hass zu bremsen. Dieser Hass schlug damals um. Ja er lehnte sich gegen die Schatten auf, denen sie selbst einmal angehörte.

"Alianna, mein Liebstes, ich bin soweit. Ich konnte noch nicht meinen ganzen Schwur erfüllen, sprach sie weinend gen Himmel, aber ich denke, der Weg dazu ist geebnet. Sie werden bluten, alle zusammen."

Natürlich liebte Deleo ihre Tochter ebenso, doch sie liebte Alianna auf ihre besondere Weise. Dann drehte sie sich zu Fanya, die schweigend da stand und Deleo gewähren ließ. In ihr tobte schon die Lebenslust. Sie würde die See unsicher machen wollen, höher steigen wollen als ihre Mutter, Nehmen und Leben, wie ihr gefiel.

"Fanya, liebe Tochter, du bist nun erwachsen genug, denke ich." Das Sprechen fiel Deleo schwer.

"Du wirst für mich weiter machen. Ich verpflichte dich dazu. Du wirst unseren Hafen weiter führen, so wie ich es bisher tat. Ihr müsst zusammen halten. Lebe, wie dir beliebt, aber lass keine Schande über uns kommen. Du wurdest in alles eingeweiht. Nun lege deinen Schwur ab. Ich traue dir auch so, aber du bist ein Wildfang und manchmal weiß ich nicht, was in deinem hübschen Köpfchen umgeht. Du wirst mir einen Schwur ablegen, damit ich beruhigt gehen kann."

Deleo nahm ihren Dolch und den Arm ihrer Tochter. Dann ritze sie langsam deren Haut ein. Fanya biss die Zähne zusammen.

"Sprich mir nach: Ich schwöre bei meinem eigenen Leben, den Schwur meiner Mutter zu Ende zu bringen, unseren Hafen zu einem der stärksten zu machen, jedem unserer Piraten bis auf den Tod bei zustehen. Ich schwöre, nicht eher zu ruhen, bis Nephilim vernichtet ist."

Fanya sah, wie das Blut herunter tropfte und verstand, wie wichtig ihrer Mutter diese Worte waren. So legte sie ohne zu zögern diesen Blutschwur ab. Deleo kämpfte sich zur Brüstung. Tief atmete sie die schwere Luft ein. Das Salz biss ihr beim Schlucken in die Kehle. Ihren letzten Atemzug würde sie selbst bestimmen. Sie hielt immer noch ihren Dolch in der Hand...eine Vorfreude erfüllte sie, Tränen rannen über ihr zerfurchtes Gesicht...mit äußerst ruhiger Hand schnitt sie sich die Pulsader auf, sah wie sich das Deck schnell und schneller rot färbte, rief Alianna´s Namen und sackte in sich zusammen. Fanya stand regungslos da. Fieberhaft überlegte sie, was sie jetzt tun sollte. Deleo´s Mannschaft stand plötzlich hinter ihr und wartete auf Kommandos. Also musste sie sich schnellstens fangen. Sie wies die Männer an, Deleo gebührend aufzubahren, und Kurs auf den Hafen zu nehmen. Deleo sollte ihren Platz bei Alianna finden. Auch ihre Asche würde in alle Winde verstreut werden.

"Deleos Seele" lief in "Daridanja" ein.

Dawn war noch nicht alzu lange in den Gewässern unterwegs. Turbulente Geschehnisse brachten sie zu Daridanja. Sie fühlte sich hier verstöhrend heimisch. Deleo ihre Hafencheffin, nie zuvor hatte sie sie gesehn und doch schien sie ihr so vertraut.
Ihr Tochter Fanya war noch recht jung, doch spürte man deutlich ,das sie ihrer Aufgabe gewachsen wäre und solange Dawn ihrere eigentlichen Aufgabe noch nicht gewachsen war, würde sie hier bleiben und den Hafen, Deleo und Fanya nach bestem Wissen unterstützen.
Als die Seele dieses Mal in den Hafen einlief, schien es irgenwie anders...es war als wäre das Schiff hohl, leer -wie ausgewechselt.
Dawn sah Fanya von weitem und wusste, das es nun galt ihr bei zu stehen. Deleo war tot.
Sie würde ein Auge auf Fanya haben und sie unterstützen, so wie sie selbst Unterstützung bei Deleo fand.
Dawn ging auf die Seele und Fanya zu, bereit ihr jegliche Unterstützung zu geben.....